Ralph und seine Schwester, Sophie Fiennes

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Ralph und seine Schwester, Sophie Fiennes

Beitragvon rafe23 » 20.12.2009, 19:48

„Wir alle sind Perverse“
Mit dieser radikalen These erklärt Sophie Fiennes schmunzelnd unsere Rolle als Film-Zuschauer. „Wir lassen alle unsere Bedürfnisse von Filmen beeinflussen, teilweise auf sehr verquere Weise“, sagt sie. Die Anhängerin der Theorien von Freud und Lacan plant schon ein zweites Projekt mit dem Psychoanalytiker Zizek: „The Pervert´s Guide"
Die Schwester der Filmstars Ralph und Joseph Fiennes bringt eine großartige Doku ins Kino. Im Interview mit BUNTE Online spricht sie über den Film, Geschwister und Psychotherapie.

Äußerlich sieht Sophie Fiennes ihren berühmten Brüdern Joseph und Ralph kaum ähnlich. Höchstens was die Augen angeht, die bei allen Fiennes-Geschwistern so auffällig schön und ausdrucksvoll sind. Trotzdem ist die Familienzugehörigkeit deutlich – es ist die feine Art, zu sprechen, eine starke Konzentration auf das Gegenüber, eine fast angsteinflößende Intensität.

Sophie Fiennes (41) ist die Mittlere zwischen dem 46-jährigen Ralph Fiennes („Der Englische Patient“, „Der Vorleser“), der Filmregisseurin Martha Fiennes (deren Kinder bereits in „Harry Potter“ und „Die Herzogin“ mitwirkten), dem Filmkomponisten Magnus Fiennes und Joseph Fiennes (38, „Shakespeare in Love“). „Ich bin das Sandwich“, sagt sie lachend im Interview mit BUNTE Online. Die ausgleichende, vermittelnde Rolle, die Sandwich-Kindern von Psychologen gerne zugeschrieben wird, sieht sie bei sich ganz deutlich. „Gleichzeitig denke ich, dass ich in unserer Familie eine von denen bin, die gerne provoziert. Ich mag die Dinge gerne aufmischen."

Sophie mit ihrem großen Bruder Ralph Fiennes (Foto: www.splashnews.com)
„Bei uns wurde Psychoanalyse respektiert“

Sophie, groß, aufrecht, freundlich, sehr intelligent und etwas unnahbar, ist in der Welt des Films zu Hause – wie alle Fiennes-Geschwister mit Ausnahme von Joseph´s Zwillingsbruder Jacob, einem Landschaftspfleger, und ihrem Adoptivbruder Michael Emery, einem Archäologen. Nur ein Zufall? Sicher nicht. „Mein Vater war Fotograf, meine Mutter Schriftstellerin und Malerin. Ich komme aus einer Familie, in der Gedanken und Ideen als das Wichtigste galten“, erklärt Sophie Fiennes im Interview mit BUNTE Online.

Die Fiennes-Kinder wuchsen tatsächlich in einer ungewöhnlichen Familie auf. „Meine Mutter hat sich einer Psychoanalyse unterzogen. Sie hat sich von einem österreichischen Jungschen Analytiker behandeln lassen, als sie 21 war. Sie hat auch darüber gesprochen“, erklärt Sophie Fiennes. „Wir sind also in einer Familie aufgewachsen, in der Psychoanalyse respektiert wurde. Kreativität, das Denken und Erkunden wurde gefördert. Das war außergewöhnlich. In England haben viele Angst vor allzu viel Kreativität. Alles, was keinen klaren praktischen Nutzen hat, wird schnell als prätentiös abgestempelt.“

Für ihre Berufswahl hat sie noch eine weitere, originelle Erklärung: „Wir sind dauernd umgezogen, daher habe ich nie eine ordentliche Ausbildung genossen. Ich hätte nie Ärztin oder Anwältin werden können. Mir blieb nichts anderes übrig, als eine eine Bohemien-Filmemacherin zu werden“, sagt sie selbstironisch in ihrem tadelosen High-Class-Akademiker-Englisch.

Putziger Psychoanalytiker: Zizek in der Bodega-Bucht, wo Hitchcocks „Die Vögel“ gedreht wurde (Foto: THE PERVERT'S GUIDE TO CINEMA)
Hitchcock auf der Psycho-Couch

Im Gegensatz zu ihren berühmten Brüdern steht Sophie Fiennes lieber hinter der Kamera, und genau wie sie ist sie brilliant in ihrem Fach. Ihr neuester, preisgekrönter Kino-Dokufilm mit dem aufreizenden Titel „A Pervert´s Guide to Cinema“ (Der Kino-Führer für Perverse) ist gerade in Deutschland angelaufen. In drei spannenden und witzigen Dokumentarfilm-Folgen führt der slowenische Philosoph und Psychoanalytiker Slavoj Zizek, auch als „Akademischer Rockstar“ bekannt, durch die Welt des Films. Klassiker von Hitchcock, Kultfilme von David Lynch und neuere Filme wie „Die Matrix“ werden psychoanalytisch beleuchtet, berühmte Szenen mit freudscher Terminologie seziert und überraschend in Verbindung gesetzt.

Der putzige Kult-Psychologe mit dem Rauschebart erklärt seine skurrilen Thesen anschaulich und spannend direkt an den Originalschauplätzen, etwa im Keller des Hauses von Hitchcocks „Psycho“, im Boot in der Bodega-Bucht aus „Die Vögel“ oder im Schlafzimmer des Teufelsmädchens in „Der Exorzist“. „Der Film bringt dich zum Lachen, und eine Sekunde später fällt einem auf, dass man eigentlich über etwas sehr traumatisches gelacht hat“, erklärt Sophie Fiennes „Wenn man lacht, wird man offener, dadurch wirken die Ideen auch besser. Humor ist ein sehr wirksames Werkzeug. Ich würde sagen, der Film ist zu 40 Prozent zum Lachen, aber auch diese 40 Prozent sind ernst zu nehmen."

Sophie Fiennes mit Zizek im „Vertigo“-Apartment (Foto: THE PERVERT'S GUIDE TO CINEMA)
Ein Film für Perverse

Ähnlich ist auch der Titel des Films zu verstehen. „Wir alle sind Perverse. Weil wir alle Wege finden, die Dinge auf verquere Weise zu genießen“, behauptet die Regisseurin, die sich als Anhängerin der Psychoanalyse nach Lacan versteht. „Durch romantische Kinofilme lernen wir, was Liebe ist, wie man sich verliebt, wie man dieses Verhalten im wirklichen Leben nachmacht.“ Das beste Beispiel sei die Pornografie: „Wir wissen, dass Pornos Zuschauer direkt beeinflussen. Auf indirektem Wege beeinflussen alle Filme unsere Bedürfnisse. Der Film zeigt, wie uns bestimmte Bilder in Filmen berühren.“

Natürlich ist der Titel mit einem Augenzwinkern zu verstehen – und als plakatives Werbemittel. „Der Film verkauft sich so einfach besser als wenn ich ihn ´Ein Film über Kino und Psychoanalyse mit einem Slovenischen Philosophen´ genannt hätte“, so Sophie Fiennes. Inzwischen arbeitet sie an einem weiteren Film mit Zizek: „The Pervert´s Guide to Ideology“.

´Ralph war großartig in Ödipus´, lobt Sophie ihren Bruder (Foto: AP)
„Man stellt mich als 'die Schwester von...' vor“

Um dem englischen Wetter zu entfliehen, wohnt Sophie Fiennes seit einigen Wochen bei Freunden in Los Angeles. „Ich habe das ganze Material für den neuen ´Guide´ auf meinem Laptop, von daher ist es egal, wo ich arbeite“, sagt sie. Aber eigentlich lebt Sophie Fiennes wie ihre Geschwister in London. „Wir sehen uns ständig“, sagt sie. „Wir haben dieselben Interessen, gehen zusammen ins Kino, tauschen Ideen aus.“

Der einzige Grund, warum sie noch nie mit ihren Brüdern gedreht hat, ist „weil ich Dokumentarfilme mache. Meine Schwester Martha hat schon zwei Filme mit Ralph gedreht. Ich verfolge aber genau, was sie machen, besonders gern gehe ich in ihre Theaterstücke. Ralph war zum Beispiel großartig in ´Ödipus´.“

Gerne kommt Sophie Fiennes in Begleitung ihrer Brüder zu Filmpremieren und Awards. Im Jahr 2000 taten sich die Geschwister Sophie, Ralph und Joseph Fiennes für etwas Besonderes zusammen: Gemeinsam brachten sie das Buch „Blood Ties“ heraus, ein bis dahin unveröffentlichtes Werk ihrer verstorbenen Mutter Jennifer Lash. „Sie war eine sehr gute Kinderpsychologin“, sagte Ralph damals dem Magazin „Highlife“. An den Lobeshymnen der Geschwister auf die Mutter muss etwas dran sein: Alle Fiennes-Kinder sind erfolgreich in ihrem Metier.

Nur einen Wehrmutstropfen gibt es für Sophie: Der Celebrity-Status ihrer Brüder überschattet ihr Werk, meint sie. „Ich mache ziemlich ernsthafte Filme mit großartigen Menschen, und dann werde ich lediglich als ´´die Schwester von…´ vorgestellt“, sagt sie Bunte Online. Verständlich, dass so etwas nervt. Andererseits: Wer zu so einer talentierten Familie gehört, darf auch glücklich und stolz darauf sein.
"For the truest poetry is the most feigning, and loves are given to poetry, and what they swear in poetry may be said as lovers they do feign."
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